Seit ihrem Inkrafttreten vor zehn Jahren hat die Zweitwohnungsgesetzgebung Kollateralschäden verursacht, die über die Ziele der gleichnamigen Initiative hinausgingen. Während die Initiative einen Baustopp für neue Zweitwohnungen forderte, wurden die Hauptwohnsitze und das Hotelgewerbe durch die kompromisslose Umsetzung der Initiative in Mitleidenschaft gezogen.
Die parlamentarische Initiative Candinas zielt auf eine willkommene Klärung ab: Die aktuelle Lesart des Rechts durch das Bundesgericht behindert die Renovation von Erstwohnungen unverhältnismässig. Mit dieser Revision können Wohnungen, die nach altem Recht gebaut wurden, bis zu einer Obergrenze von 30% abgerissen und wieder aufgebaut werden, ohne dass sie Nutzungsbeschränkungen unterliegen. Es ist in der Tat absurd, dass einheimische Bewohner durch Normen, die für Zweitwohnungen vorgesehen sind, in ihren Wohnprojekten benachteiligt werden. Die Wiederbelebung der Dorfzentren, ein gemeinsames Anliegen, das von allen Parteien angezeigt wurde, wird von dieser Korrektur profitieren.
Die Revision ist außerdem durch zwei neuere Megatrends gerechtfertigt. Der erste ergibt sich aus der Pandemie, die viele Städter im Mittelland dazu veranlasst hat, nach Telearbeitslösungen in der Peripherie oder auf dem Land zu suchen. Dieser Nachfrageschub hat die Preise so stark unter Druck gesetzt, dass Wohnraum für Einheimische unerschwinglich geworden ist - genau ein Ergebnis, das die Befürworter der Initiative mit ihrem Text zu verhindern versprachen. Die zweite betrifft den Ausstieg aus der Nutzung fossiler Energieträger: Die derzeitigen Beschränkungen können den Unterschied zwischen einer erfolgreichen Renovierung oder dem energetischen Verfall eines Gebäudes ausmachen, obwohl dieses potenziell das ganze Jahr über bewohnt wird.
Abzulehnen ist hingegen der Vorschlag der Minderheit, die vorgeschlagene Lockerung nur auf strukturschwache Gemeinden gemäss von den Kantonsregierungen genehmigten Listen zu beschränken. Angesichts dessen macht eine territoriale Diskriminierung keinen Sinn, zumal sich die Probleme beim Zugang zu Wohneigentum für Einheimische vor allem in Tourismusgebieten mit hohem Potenzial als besonders akut erweisen, nicht aber in Regionen, die von Entvölkerung bedroht sind.