Behürde
Office fédéral du développement territorial (ARE)
Antwortfrist
16. April 2025
Gegenstand
Raumkonzept Schweiz
Umfeld
Das Raumkonzept Schweiz ist ein Orientierungsrahmen für alle Staatsebenen. Es zeigt auf, wie unser Land in Zukunft aussehen könnte. In der Schweiz ist der Raum begrenzt, der Boden ist eine wertvolle Ressource: Wir müssen ihn sparsam und gezielt nutzen.
Die Leitidee des Raumkonzepts strebt eine vielfältige Schweiz an, die allen Menschen Raum für soziale und wirtschaftliche Entfaltung bietet. Die Menschen handeln umweltbewusst und gehen sorgsam mit den Ressourcen um. Durch einen sorgfältigen Umgang mit dem knappen Raum und die Weiterentwicklung bestehender Strukturen bewahren wir das Erhaltenswerte und schaffen Platz für Neues.
Im ersten Teil stellt das Raumkonzept die Ziele vor und formuliert Strategien, die zur Umsetzung dieser Leitidee beitragen sollen. Der zweite Teil des Raumkonzepts Schweiz zeigt regionale Schwerpunkte und Besonderheiten auf. Er erläutert, wie die verschiedenen Handlungsräume diese Ziele und Strategien unter Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs konkret umsetzen wollen. Schliesslich beschreibt das Raumkonzept, wie die Handlungsräume sektorübergreifend, staatsebenenübergreifend sowie über innere und äussere Grenzen hinweg zusammenarbeiten wollen.
Kurz gesagt
1. Ein erhebliches demokratisches Defizit
Das «Raumkonzept Schweiz» wird als unverbindliches Dokument präsentiert, dient in Wirklichkeit jedoch zur Steuerung wichtiger raumplanerischer Entscheidungen – ohne demokratische Legitimation. Es enthält normative Vorgaben, die die Rolle des Parlaments und des Volkes umgehen. Die WIHK kritisiert dieses Fehlen demokratischer Legitimation und fordert eine Überarbeitung des Prozesses unter Einbezug des Parlaments.
2. Eine Strategie ohne Bezug zur Realität vor Ort
Das Projekt ignoriert zentrale, konkrete Herausforderungen: die Umsetzung der Verdichtung, den Mangel an verfügbaren Bauflächen sowie ungünstige Rahmenbedingungen für den Bausektor. Diese Themen müssten im Mittelpunkt stehen – andernfalls bleiben die Debatten über Alterung, Wachstum oder Klima rein theoretisch.
3. Unangepasste Rahmenbedingungen für den Bausektor
Seit 2010 haben sich die Bewilligungsfristen um 67 % verlängert. Die zunehmenden Einsprachen und die Komplexität der Vorschriften bremsen die Bautätigkeit, was den Wohnungsmangel und den Anstieg der Mieten verschärft. Diese Herausforderungen werden im Konzept nicht thematisiert, obwohl es wiederholt die Notwendigkeit von bezahlbarem Wohnraum betont.
4. Eine falsche Raumplanungsstrategie
Die im Projekt vertretene Vision scheut die notwendigen Abwägungen zwischen Entwicklungs- und Schutzinteressen. Indem alle Ziele gleichwertig behandelt und nicht priorisiert werden, verhindert sie pragmatische Entscheidungen und blockiert eine nachhaltige Anpassung an das Bevölkerungswachstum.
Detaillierte Stellungnahme
Demokratisches Defizit
Das «Raumkonzept Schweiz» präsentiert sich harmlos als unverbindliches strategisches Reflexionsinstrument. In der Praxis wird es jedoch offen als Entscheidungsgrundlage in Verwaltung und Parlament genutzt. In der Vergangenheit diente dieses «unverbindliche» Dokument wiederholt zur Legitimation raumplanerischer Entscheidungen.
Der Erarbeitungsprozess dieses Projekts kann keinesfalls mit einem echten demokratischen Konsultationsverfahren gleichgesetzt werden, wie es die Einbindung des Parlaments oder gar des Volkes per Referendum erfordern würde. Dennoch enthält das vorgelegte Projekt zahlreiche normative Vorgaben und entzieht damit den demokratisch gewählten Institutionen die Verantwortung für diese heiklen Interessensabwägungen.
Die WIHK lehnt dieses Vorgehen ab und fordert eine vollständige Überarbeitung des Prozesses unter Einbezug des Parlaments.
Eine Strategie fern der Realität
Die Überarbeitung des Raumkonzepts ist zu weit von der Realität entfernt, insbesondere im Hinblick auf die konkreten Herausforderungen der Raumplanung, die unzureichend oder gar nicht berücksichtigt werden. Die Umsetzung der Verdichtung, ungünstige Rahmenbedingungen für die Bauwirtschaft sowie der daraus resultierende Bodenmangel sind akute Probleme mit mittelfristigen Auswirkungen. Sie sollten ins Zentrum des Projekts gerückt werden. Denn ohne überzeugende Antworten auf diese Voraussetzungen bleiben Diskussionen über ebenso wichtige und dringende Themen wie Alterung, Bevölkerungswachstum oder Klimawandel theoretisch und wirkungslos.
Die erste Etappe der Revision des Raumplanungsgesetzes (RPG 1) im Jahr 2014 beschränkte das Bevölkerungswachstum auf das Innere bestehender Siedlungsgebiete. Die Einzonung – das Hauptinstrument der Gemeinden zur Steuerung dieses Wachstums – wurde ihnen aus der Hand genommen. Im Wallis mussten viele Gemeinden ihre Bauzonen verkleinern. Wenn Einzonungen nicht mehr möglich sind, muss höher gebaut oder die Flächennutzung effizienter gestaltet werden. Doch die Bilanz der ersten zehn Jahre nach RPG 1 zeigt: Diese Massnahme ist gescheitert. Die grossen Gemeinden und urbanen Gebiete hinken bei der Verdichtung stark hinterher, während periphere und alpine Regionen unnötig in ihrer Entwicklung gebremst werden.
Die wahren Herausforderungen: Zu wenig Platz, zu viele Verfahren, zu hohe Mieten
Die Rahmenbedingungen für die Bauwirtschaft sind insgesamt schlecht. Im internationalen Vergleich belegt die Schweiz bei der Bearbeitung von Baugesuchen Rang 71 von 2131. Im Vergleich zu 2010 dauerten die Bewilligungsverfahren im Jahr 2022 in der ganzen Schweiz 67 % länger2. Die strengen Vorschriften im Bau- und Planungsbereich belasten nicht nur die Bauwirtschaft, sondern auch die Bewilligungsbehörden und Gerichte, die immer mehr Einsprachen und Beschwerden bearbeiten müssen – was zu Verzögerungen und weiteren Kostensteigerungen bei Bauprojekten führt.
Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass die Bautätigkeit in den letzten Jahren gelitten hat. Die Bevölkerung wächst weiter und der Flächenbedarf steigt, doch das Angebot kann nicht ausreichend ausgeweitet werden. Deshalb steigen die Preise für alle Nutzungsarten.
Das Problem der schlechten Rahmenbedingungen wird somit zu einem sozialen Problem, das sich in steigenden Mieten niederschlägt. Obwohl diese Herausforderungen offensichtlich sind, werden weder die Verfahren noch die Baubewilligungen oder die Problematik der Einsprachen im «Raumkonzept Schweiz» erwähnt. Stattdessen fällt immer wieder der Begriff «bezahlbarer Wohnraum»…
Die im Projekt formulierte «Strategie» ist in Wahrheit keine: Indem sie alle Schutzinteressen gleichwertig behandelt, verweigert sie dringend notwendige Abwägungen und trägt zu Blockaden bei, die uns daran hindern, das Bevölkerungswachstum sozial, wirtschaftlich und ökologisch nachhaltig zu bewältigen.
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Die WIHK fordert deshalb, dass die Umsetzung der Verdichtung und die Rahmenbedingungen für den Bausektor als zentrale Herausforderungen in die Revision des Raumkonzepts Schweiz aufgenommen werden.
Um diese zu bewältigen, müssen die Gemeinden die Flächennutzung flexibler gestalten können und missbräuchliche Einsprachen verhindert werden. Zudem sind die Vorschriften zu vereinfachen und die Bewilligungsverfahren zu beschleunigen, um die Rahmenbedingungen für die Bauwirtschaft zu verbessern.
Was die verschiedenen schützenswerten Interessen betrifft, ist ein pragmatischerer Ansatz anzustreben. Die Schweiz bildet hochqualifizierte Fachkräfte in allen Bereichen des Bauwesens aus. Diesen ist mehr Vertrauen zu schenken für eine qualitativ hochwertige Umsetzung – übertriebene Schutzvorschriften sollten vermieden werden.
1 https://archive.doingbusiness.org/en/data/exploretopics/dealing-with-construction-permits
2 https://www.avenir-suisse.ch/fr/publication/la-realite-des-loyers/