Aus der Sicht eines Ökonomen sind Panzer, Kampfflugzeuge und andere Kanonen seltsame Maschinen: Diese Form von Kapital hat die höchste Rendite, wenn es nicht genutzt wird. «Die Aufrechterhaltung einer glaubwürdigen Abschreckung ist sehr teuer, aber nicht so teuer, wie in den Krieg zu ziehen, und noch weniger, als ihn zu verlieren», erklärte ein General vor kurzem im US-Senat.
Mit dem Ende des Kalten Krieges in den 1990er-Jahren halbierten die USA ihre Militärausgaben. Der US-amerikanische Staat setzte damit umgerechnet 3% seines BIP für seine Steuerzahler frei. Europa rüstete noch stärker ab: Die 12 europäischen Nationen, die 1989 Mitglieder der NATO waren, investierten 15 Jahre später 25% weniger in ihre Verteidigung, während sie ihre Sozialausgaben im selben Zeitraum verdoppelten.
In Zeiten geopolitischer Ruhe ermöglicht es die «Friedensdividende» den Regierungen, entweder die Steuern zu senken oder mehr Geld für öffentliche Dienstleistungen auszugeben. Diese Ära ist leider zu Ende gegangen, da der Krieg an den Rändern Europas zurückkehrt, die Rivalitäten zwischen den Grossmächten im asiatisch-pazifischen Raum zunehmen und die Instabilität in der übrigen Welt steigt. Die Zeit ist reif für eine Aufrüstung.
Die USA sind für diese Zeitenwende besser positioniert als die EU. Die Anpassung des Alten Kontinents an die neuen geopolitischen Realitäten wird schwieriger sein, da die Europäer so wenig in ihre militärischen Fähigkeiten investiert haben. Deutschland zum Beispiel, das 2023 1,57% seines BIP für Verteidigung ausgab, müsste seine jährlichen Ausgaben auf nur 3,5% erhöhen, um den seit dem Ende des Kalten Krieges aufgelaufenen Rückstand aufzuholen. Die Fragmentierung der europäischen Verteidigungsindustrie gepaart mit protektionistischer Politik erschwert und verteuert den Prozess zusätzlich.
Wie unsere Nachbarländer ihre Aufrüstung finanzieren werden, wird sich
zwangsläufig auf das Wachstum und die Inflation in der Eurozone und
damit indirekt auch auf die Schweiz auswirken. Die NATO-Mitglieder, die
das von der Allianz gesetzte Ziel von 2% des BIP nicht erreichen, sind auch
diejenigen, die wie Belgien und Frankreich, Deutschland und Spanien eher
hohe Steuern haben. Wenn sie ihre Steuern nicht erhöhen wollen - oder
können, müssen sie schmerzhafte Entscheidungen in ihren Haushalten
treffen und ihre anderen öffentlichen Ausgaben, insbesondere die Sozialausgaben,
kürzen. In beiden Fällen geht dies auf Kosten des Konsumklimas
und damit ihres Wachstumspotenzials. Und da die Rüstungsindustrie
bekanntermassen material- und personalintensiv ist, könnte ihre Expansion
zu inflationärem Druck auf die Rohstoffpreise und Löhne führen.
Vincent Riesen
Direktor der Walliser
Industrie- und Handelskammer