Auf der Nord-Süd-Achse: Für Güter die Bahn?

Gemeinsames Interview mit Vincent Riesen und Nicolas Herold

Der Bahnknotenpunkt Basel spielt eine entscheidende Rolle im Schienenverkehr der Schweiz. Am Bahnkongress Bahn25 in Basel wurde die Zukunft des Güterverkehrs diskutiert. Eine der Partnerregionen der diesjährigen Ausgabe war der Kanton Wallis. Nicolas Herlod, Leiter Bereich Standorversorgung Syngenta, und Vincent Riesen, Direktor der Walliser Industrie- und Handelskammer, zeigen auf, wie wichtig gute Verbindungen zwischen dem Wallis und der Region Basel sind.


Vincent Riesen, welche Bedeutung hat der Schienengüterverkehr für die Walliser Wirtschaft und wo liegen die grössten Herausforderungen?

Riesen: Der Schienengüterverkehr ist ein entscheidender Wirtschaftsfaktor im Wallis, da er den Transport von Rohstoffen, Industriegütern und landwirtschaftlichen Produkten effizient und umweltfreundlich ermöglicht, was vor allem für exportorientierte und produzierende Unternehmen essenziell ist. Zu den grössten Herausforderungen zählen dabei der Erhalt und die Modernisierung der bestehenden Infrastrukturen sowie der Ausbau von Verladeanlagen, um das steigende Verkehrsaufkommen nachhaltig zu bewältigen. Zudem muss eine kohärente Abstimmung zwischen Bund, Kanton und privaten Akteuren gelingen, um langfristige Investitionssicherheit und eine zukunftsfähige Logistik zu gewährleisten.

 

Welche Rolle spielt für die Walliser Unternehmen die Lage an einer der beiden Nord-Süd-Achsen durch die Schweiz und wie wichtig ist dabei ein funktionstüchtiger Bahnknoten Basel? ​

Riesen: Die Lage an einer der beiden Nord-Süd-Achsen ermöglicht es Walliser Unternehmen, ihre Güter schnell und kosteneffizient über die Schweiz in internationale Märkte zu transportieren, was ihre Wettbewerbsfähigkeit entscheidend stärkt. Der Vollausbau des Lötschberg-Basistunnels ist dabei wesentlich. Ergänzt wird dies durch einen funktionstüchtigen Bahnknoten in Basel als Nordportal, der als zentraler Knotenpunkt die Anbindung an das europäische Verkehrsnetz gewährleistet und damit den gesamten Logistikprozess nachhaltig optimiert.

 

Wie profitieren das Wallis und die Region Basel heute voneinander?

Riesen : Gemeinsame Forschungsinitiativen und enge Handelsbeziehungen stärken den Wirtschaftsstandort beider Regionen. Unternehmen aus dem Wallis profitieren von der internationalen Anbindung und dem Know-how der Basler Region, während Basler Unternehmen durch den Zugang zu Produkten und Fachkompetenz aus dem Wallis ihre Wettbewerbsfähigkeit steigern können.

 

Nicolas Herold, wie wichtig ist der Transport mit der Bahn für die Syngenta?

Herold: Der Schienenverkehr ist für den Betrieb von Industriechemieanlagen im Allgemeinen und für Orte wie Muttenz (BL) oder Monthey (VS) im Besonderen von entscheidender Bedeutung, wo Syngenta im Rahmen seiner globalen Strategie wichtige Produktionsaktivitäten ausübt. Mehr als 80% aller in diese Werke ein- und ausgehenden Warenströme werden auf der Schiene transportiert.

Produktionsstätten wie die in Basel oder im Wallis beliefern grösstenteils Märkte in Übersee über Häfen in Nordeuropa wie Rotterdam oder Antwerpen. Daneben aber auch Regionen nördlich und östlich der Schweiz. In beiden Fällen ist der Eisenbahnknotenpunkt Basel der Ort der Hub für die gesamte Schweiz, sowohl für traditionelle als auch für multimodale Schienenkonvois. Der Bau von Basel-Nord, einem trimodalen Terminal, wird auch diese zentrale Rolle Basels für die Schweizer Logistik weiter stärken.

 

Wie sieht Syngenta die aktuellen Herausforderungen im Schienengüterverkehr und weshalb setzt Syngenta weiterhin auf die Bahn statt auf den flexibleren Transport mit Lastwagen?

Herold: Die logistischen Abläufe im Zusammenhang mit der Produktion von Feinchemikalien und dem Pflanzenschutz haben ein doppeltes Merkmal. Sie sind in Bezug auf die Tonnage wichtig und bestehen in der überwiegenden Mehrheit aus Materialien, die gemäss der Transportvorschriften (RID) erhöhte Risiken beinhalten. In Bezug auf die transportierten Tonnen und die Aspekte der Nachhaltigkeit ist es wichtig, den effizientesten Verkehrsträger zu bevorzugen. Die Schiene kann in diesem Bereich im besten Fall einen Vorteil von bis zu einem Faktor von 10 haben. Ausserdem kann sie mit völlig kohlenstofffreier Energie zirkulieren. Bei unseren Bemühungen, die industrielle Tätigkeit zu dekarbonisieren, hat dieses Transportmittel einen klaren Vorteil.

In Bezug auf die transportierten Materialien sind sich alle Logistikspezialisten einig, dass der Schienenverkehr deutlich sicherer ist als der Strassenverkehr. Die Konsequenz dieser Analyse ist, dass mehr als 80% der mit dieser industriellen Aktivität verbundenen Materialflüsse auf der Schiene transportiert werden. Dies und unsere Verantwortung als Unternehmen führt dazu, dass wir wann immer möglich die Eisenbahn wählen.

 

Für die industrielle Produktion ist die Nachfrage nach sogenannten Gefahrgütern — etwa Chlor — unverzichtbar. Welche Fortschritte wurden in den letzten Jahren in punkto Sicherheit beim Transport von Gefahrgütern erzielt?

Auf dem Gebiet der Sicherheit beim Transport gefährlicher Güter wurden in den letzten Jahren in Kooperation mit allen betroffenen Kreisen in drei Bereichen erhebliche Fortschritte erzielt:

  • In Bezug auf Vorschriften und Sicherheit wendet die Schweiz strikt und konsequent die neuesten Standards und Konzepte an, seien es internationale, europäische oder dann, wenn man der Meinung ist, dass Letztere nicht weit genug gehen, spezifisch Schweizerische. Die Verfahren zur Risikobewertung werden auf der Grundlage von Erfahrungen aus der ganzen Welt ständig verbessert, um die Risiken für die Bevölkerung so weit wie möglich gegen Null zu reduzieren.
  • Was die Infrastruktur anbelangt, so tragen die massiven Investitionen des Bundes zur Modernisierung der Anlagen (Strassen, Weichen, Signalanlagen usw.) massgeblich zu dieser Verbesserung der Sicherheit bei.
  • Im Bereich der Waggons ist die permanente Erneuerung des Fuhrparks durch die Industrie mit der Integration allerneuester Technik ein wesentlicher Faktor für die erzielten Fortschritte: doppelwandige Kesselwagen für bestimmte risikoreicherer Stoffe; Entgleisungsdetektoren oder elektronische Bremssysteme; Verbesserung der Waggonstatik und Innovation bei den Verschluss- und Abdichtungssystemen von Waggons.

Schliesslich werden für die Zukunft grosse Hoffnungen in die Digitalisierung und die Entwicklung der KI gesetzt, und zwar nicht nur auf der Ebene eines gesamten Konvois, sondern auch auf Stufe des einzelnen Waggons. Dies eröffnet neue Perspektiven für ein viel proaktiveres Sicherheitsmanagement, bevor potenzielle Ausfälle auftreten.

 

In der Frühlingssession 2025 verabschiedete das Bundesparlament die Revision des Gütertransportgesetzes. Wie beurteilen Sie das Ergebnis?

Herold: Das Ergebnis ist eine klare und hilfreiche Stütze für die Schiene im Allgemeinen und für den Transport mit isolierten Einzelwaggons im Besonderen. Die wichtigsten Herausforderungen, die wir identifizieren, wenn wir den Schienenverkehr weiterentwickeln wollen, sind:

  • Die Wettbewerbsfähigkeit des Schienenverkehrs, die in direktem Zusammenhang mit der Fähigkeit der SBB steht, die Kosten zu kontrollieren und für Kostentransparenz zu sorgen,
  • Kundenorientierung und die Fähigkeit ehemaliger staatlicher Stellen, hier in der Schweiz die SBB, sich selbst zu hinterfragen,
  • Die Kapazität des Netzes und der verbleibende Platz für den Schienenverkehr im Vergleich zum Personenverkehr.

Es ist für niemanden in der Branche ein Geheimnis, dass in den letzten Monaten viele Schweizer Unternehmen mit dem angebotenen Preis-/Leistungsverhältnis nicht zufrieden sind. Vor dem Hintergrund des revidierten Gütertransportgesetzes, aber auch aufgrund der massiven geopolitischen Verwerfungen und Kostensteigerungen für die produzierende Industrie sind die Erwartungen hoch, dass sich die Rahmenbedingungen für die verladende Industrie zum Positiven verändert.

Vincent Riesen, Direktor der IHK Wallis
Nicolas Herold, Leiter der Standortversorgung bei Syngenta

Das Interview in der Originalfassung:  https://www.hkbb.ch/de/aktuell/bahn25-doppelinterview-schienenverkehr.php

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