Die sogenannte Selbstbestimmungsinitiative ist irreführend. Sie bringt den Volksrechten keinen Mehrwert, da das Schweizer Volk mit den Instrumenten der direkten Demokratie bereits jetzt internationale Abkommen annehmen, ablehnen oder gar aufkündigen kann. Sie beschneidet hingegen die individuellen Rechte und schwächt die internationale Position der Schweiz. Unser Land braucht das Völkerrecht als Schutz vor dem Recht des Stärkeren, das von den Grossmächten diktiert wird
Die Initiatoren behaupten, sie wollten die Souveränität der Schweiz schützen und unsere Demokratie retten. Das stimmt nicht! Bereits jetzt werden wichtige internationale Abkommen dem Volk vorgelegt, das sie manchmal annimmt (bilaterale Verträge mit der EU, UNO-Beitritt) oder ablehnt (EWR-Beitritt). Das Schweizer Stimmvolk verfügt mit den vier jährlichen Abstimmungsterminen, der Möglichkeit, ein Gesetz per Referendum abzulehnen oder über das Initiativrecht eine Verfassungsänderung herbeizuführen, bereits über die besten demokratischen Werkzeuge.
Die Grundrechte werden durch die Verfassung, aber auch durch die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) geschützt. Jeder, der sich von seinem Land und der Justiz ungerecht behandelt fühlt, kann sich darauf berufen. Sollte die Initiative angenommen werden, müsste die Schweiz wahrscheinlich die EMRK aufkündigen. Obschon sie vorgibt, unsere Souveränität zu stärken, schwächt die Initiative letztendlich den Schutz unserer Grundrechte. Die Initiative stiftet bewusst Verwirrung zwischen den Begriffen ausländisches Recht und Völkerrecht. Während ausländisches Recht aus der Gesamtheit der Gesetze eines Landes besteht, beispielsweise das italienische oder das japanische Recht, besteht das Völkerrecht lediglich aus den Bestimmungen der Abkommen, welche die Schweiz aus eigenem Antrieb unterzeichnet hat. Diese Abkommen sind Verträge, die es der Schweiz ermöglichen, die Interessen ihrer Bürger und Unternehmen wirksam zu vertreten. Ohne sie sind wir dem Gesetz des Stärkeren ausgeliefert. Mit anderen Worten, das Völkerrecht ist ein unentbehrlicher Schutz für eine kleine, exportorientierte Nation.
Diese Initiative wurde allein im Interesse einer Partei lanciert, die ihre Unterschriftensammlungen bekanntermassen nach den Terminen der Bundesabstimmungen ausrichtet. Diese gut eingespielte Mechanik missbraucht die Instrumente der direkten Demokratie für parteipolitische Anliegen. Wie sonst liesse sich erklären, dass diejenigen, die heute auf Selbstbestimmung pochen, damals nicht das Referendum ergriffen, um die Umsetzung ihrer Masseneinwanderungsinitiative zu
bekämpfen? Nachdem das Schweizer Volk mehrere ihrer Vorlagen in Europa- und Migrationsfragen verworfen hat, scheint es den selbsternannten Verteidigern der Schweizer Demokratie schwer zu fallen, verlorene Abstimmungen zu akzeptieren. Obschon das Schweizer Volk bereits die Durchsetzungsinitiative zur Ausschaffung ausländischer Straftäter ob ihres unerbittlichen Charakters verworfen hatte, versuchen sie erneut ihre Ziele durchzusetzen, indem sie einen starren, automatischen Rahmen vorlegen. Die Initiative gegen fremde Richter verteidigt die Partikularinteressen einer Partei und nicht diejenigen der Schweiz, die auf stabile Partnerschaften und vor allem auf den Schutz des Völkerrechts angewiesen ist.
Eidgenössische Abstimmungen vom 25. November 2018